Der Einblattdruck halt sich als Unikat erhalten, weil ein zeitgenössischer Erfurter Chronist das Blatt seinem Manuskript als Illustration beifügte. In der Thüringer Metropole gingen der Pest wegen Gerüchte um über einen etwaig vergifteten Brunnen. Da von diesem Manuskript Abschriften angefertigt wurden, lässt sich der inzwischen stark beschädigte Text des Flugblattes rekonstruieren. Auf diese Weise erfahren wir, dass die Totengräber hauptsächlich in den Verdacht der Pestverbreitung gerieten, weil sie schwarze Hühner sowie ein Pulver verkauft hatten, beides als vorgeblichen Schutz vor der Seuche. Viele Käufer starben jedoch kurz nach der Einnahme. Ein reicher Leipziger Bürger, dessen Magd Christoph Müller 3 Groschen für sein Medikament bezahlt hatte, fiel tot um, noch bevor ihm sein Diener den zum Nachspülen empfohlenen Wein aus dem Keller holen konnte. Da Totengräber die Kleider von Pesttoten als Teil ihrer Entlohnung beanspruchten, kam Müller so zu einem besonders wertvollen Pelz. Das musste Argwohn erzeugen.
Ähnliche Formen nicht immer gänzlich freiwilliger Eigentumsübertragungen waren ein generelles branchentypisches Ärgernis. Vor diesem Hintergrund mag verwundern, dass man in Leipzig ausgerechnet den “Bestattern” ein angebliches Medikament abgekauft hatte. Der scheinbare Widerspruch ist aber keiner. Da Totengräber einer besonders in Seuchenzeiten extrem gefährlichen Tätigkeit nachgingen, verfügten sie über selbst erfundene und als Berufsgeheimnis überlieferte Schutzmittel. Wie sonst sollte man einen Pestzug überleben, während man ständig in verseuchten Häusern ein- und ausging und sogar noch mit der als besonders infektiös geltenden Kleidung Verstorbener hantierte? Deshalb lag es für die Bevölkerung nahe, sie um Teilhabe an diesem Schutz anzusuchen – eine insgesamt brisante Konstellation.
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