Als ich Ende letzten Jahres nach Quellen für frühe Zaubereiprozessen in Erfurt fahndete, wurde ich auf eine Sammelhandschrift aufmerksam, die eine Nota etzlicher boesen Weyber, Vnhulden vnnd Wetterzeyberyn Orgicht vnnd peinliche Bekenntnisse enthält. Dankenswerterweise war die Landesbibliothek Coburg so freundlich, auf meine Anfrage hin größere Teile aus dem kulturgeschichtlich insgesamt sehr potenten Codex MS Cas 34 zu digitalisieren. Die bösen Weiber entpuppten sich überraschend als nicht die von mir gesuchten und schon freudig erwarteten Erfurter Zauberinnen, sondern als noch ältere Hexen dubioser Herkunft. Die aufgeführten Namen –  man ist selbst als vor einem halben Jahrtausend verbrannte Hexe vor Google nicht mehr sicher – ermöglichten eine Identifizierung mit einem frühen Hexenprozess im fränkischen Mergentheim 1511 (1). Vermutlich handelt es sich um eine Abschrift von Urgichten, deren Originale sich noch im dortigen Stadtarchiv befinden (2). Insofern erscheint der Neuigkeitswert der Quelle begrenzt (ob der Umfang identisch ist, habe ich bislang nicht geprüft). Bemerkenswert ist aber das Alter, denn der Band wurde um 1550 in Erfurt kompiliert. Zu der Zeit waren die „modernen“, in der Schweiz und Süddeutschland entstandenen Erkenntnisse über das damals noch neuartige Hexenwesen in Thüringen noch nicht verbreitet – in dem Mergentheimer Prozess bildeten sie aber bereits den Hintergrund. Das Dokument ist daher ein Zeugnis dafür, wie das neue Hexenbild von Süden in den mitteldeutschen Raum einwanderte.

(1) Franz Diehm, Geschichte der Stadt Bad Mergentheim, Bad Mergentheim, 1963, S. 111. (2) Elmar Weiss, Die Hexenprozesse im Hochstift Würzburg, in: Peter Kolb/Ernst Günther Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte, Bd. III: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges, Würzburg 1995, S. 328f.